Beziehungsarbeit mit Zeit und Fachwissen: Wie zwei Fachkräfte psychisch erkrankte wohnungslose Menschen unterstützen
Wenn Jonathan Schmidt und Steffen Viehmeier ihre Termine wahrnehmen, ist der Zeitplan nie auf Kante genäht. Die beiden – ein Fachkrankenpfleger für Psychiatrie und ein Sozialarbeiter – nehmen sich bewusst mehr Zeit, denn Vertrauen lässt sich nicht im Eiltempo aufbauen. Ihre Arbeit beim Sozialpsychiatrischen Dienst (SpDi) des Frankfurter Gesundheitsamts richtet sich an Menschen ohne festen Wohnsitz, die an psychischen Erkrankungen leiden – ein vergleichsweise neues Unterstützungsangebot der Stadt.
Dem Projekt ging eine Erhebung voraus, die Schmidt selbst durchgeführt hatte. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie es obdachlosen Menschen in Frankfurt gesundheitlich geht: Gibt es ausreichende medizinische Anlaufstellen? Und was passiert, wenn jemand auf der Straße plötzlich krank oder verletzt ist? Erst durch die Bereitstellung finanzieller Mittel, die durch einen Antrag von Stadtverordneten angestoßen wurden, konnte die Studie realisiert werden.
Laut Dr. Peter Tinnemann, dem Leiter des Gesundheitsamts, diente die Untersuchung dazu, die bestehenden Versorgungsstrukturen für psychisch erkrankte wohnungslose Menschen zu überprüfen – insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention. Dabei sollte auch herausgefunden werden, wie sich die bestehenden Angebote in Frankfurt weiterentwickeln lassen.
Die Konvention selbst betont unter anderem in Artikel 19 das Recht auf selbstbestimmtes Leben und gesellschaftliche Teilhabe sowie in Artikel 25 das Recht auf gesundheitliche Versorgung. Ein zentrales Ergebnis der Untersuchung war die Empfehlung, den Zugang zu psychisch erkrankten Menschen durch verstärkte aufsuchende Arbeit zu verbessern – insbesondere durch den Einsatz psychiatrisch qualifizierter Pflegekräfte. Diese Empfehlung wurde im Gesundheitsamt mit der Arbeit von Schmidt und Viehmeier bereits konkret umgesetzt.
Mobil im Einsatz – auch am Flughafen
Drei Tage pro Woche sind Schmidt und Viehmeier im gesamten Stadtgebiet unterwegs, oft auch am Frankfurter Flughafen – ein Ort, an dem sich ebenfalls viele Menschen ohne Wohnung aufhalten. Nach den Erfahrungen der beiden leiden zahlreiche Personen auf der Straße an schweren psychischen Erkrankungen, wie zum Beispiel bipolarer Störung oder paranoider Schizophrenie. Daher sei es entscheidend, dass sie nicht nur durch klassische Streetwork, sondern gezielt auch durch psychiatrisch geschultes Fachpersonal betreut werden. Gerade diese Spezialisierung ermögliche oftmals erst den Zugang zu den betroffenen Menschen – ein wichtiger Schritt, um sie langfristig in das Hilfesystem zu integrieren.
In ihrer täglichen Arbeit passen sich Schmidt und Viehmeier bestmöglich an die Bedürfnisse ihrer Klientinnen und Klienten an. Sie berichten von Fällen, in denen individuelle Lösungen gefragt waren – etwa, als ein Klient nur zu Fuß nach Neu-Isenburg gelangen wollte und der Fachkrankenpfleger ihn dorthin begleitete. Oder als ein geplanter Termin auf einer Parkbank trotz organisatorischer Schwierigkeiten wahrgenommen wurde – in der Sorge, ein Versäumnis könnte den mühsam aufgebauten Kontakt gefährden. Auch medizinische Versorgung gehört dazu: Schmidt führt bei Bedarf Wundbehandlungen durch und hat stets einen Rucksack mit Verbandsmaterial dabei.
Darüber hinaus bringen sich die beiden aktiv im Frankfurter „Arbeitskreis Straße“ ein, um den Austausch mit anderen Streetwork-Fachkräften zu fördern. Wenn diese in ihrer Arbeit nicht weiterkommen, wenden sie sich häufig an das Duo. Sollte auch das eigene Fachwissen einmal nicht ausreichen, greifen Schmidt und Viehmeier auf die Unterstützung der ärztlichen Kolleginnen und Kollegen im SpDi zurück.
Sinnstiftende Arbeit mit Herausforderungen
Schmidt beschreibt seine Haltung zur psychiatrischen Arbeit so, dass man akzeptieren müsse, psychische Erkrankungen nicht vollständig verstehen zu können – besonders, wenn man selbst nicht betroffen sei. Sein Interesse an diesem Feld reicht bis in seine Schulzeit zurück, und bereits während seiner Ausbildung verfolgte er das Ziel, in der Psychiatrie tätig zu sein. Viehmeier wiederum hatte während seines Studiums erste Berührungspunkte mit dem Bereich und merkte schnell, dass ihm die empathische Arbeit mit psychisch belasteten Menschen besonders lag. Für ihn liegt der Wert seiner Tätigkeit darin, spürbar etwas bewirken zu können – das gebe ihm Erfüllung und Sinn.
Einer der schwierigsten Aspekte ihrer Arbeit besteht für beide darin, eine tragfähige Beziehung zu den Klientinnen und Klienten aufzubauen. Umso erfreulicher sei es, wenn das gelinge. Viehmeier erklärt, dass positive Rückmeldungen in der psychiatrischen Arbeit eher selten seien. Dennoch wüssten er und sein Kollege oft sehr genau, ob sie jemanden erreicht hätten – etwa dann, wenn vereinbarte Termine eingehalten würden oder gezielt nach ihnen gefragt werde. Das sei eine Art Rückmeldung, die zeige, dass sich der zusätzliche Zeitaufwand lohne – und dass Vertrauen tatsächlich gewachsen sei.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung von Stadt Frankfurt/ Veröffentlicht am 25.06.2025